Die Indigenen auf ihrem Weg in die Moderne begleiten: Bischof Gilberto Alfredo Vizcarra Mori aus Jaen/Peru in Bühl am 17.12.
Es war ein reichhaltiges Programm, das Bischof Gilberto Alfredo Vizcarra Mori am 17.12. absolvierte. Zunächst unterhielt er sich nach einem Interview für die Lokalpresse mit Mitgliedern des Perukreises im Haus Alban Stolz bei einem gemütlichen Adventskaffee, ergänzt durch dekoratives und wohlschmeckendes Gebäck.
Um 16.30 h begann sein Vortrag in der Ulrika-Nisch-Kapelle, zu dem für das 4. Adventswochenende die erfreulich ansehnliche Zahl von ca. 30 Zuhörern gekommen waren. Nach der Begrüßung durch Pfarrer Wolf-Dieter Geißler ging Bischof Vizcarra kurz auf seinen Werdegang ein und betonte, dass er von seinen mittlerweile 34 Jahren als Jesuit nur vier in seinem Heimatland verbracht habe. Über einen Zeitraum von 17 Jahren hat er beispielsweise direkt vor seiner Ernennung zum Bischof im August 2014 im Tschad gearbeitet, wo er für den interreligiösen Dialog mit den mehrheitlich dort ansässigen Muslimen zuständig war. Dabei hat er auch Arabisch gelernt, eine von sieben Sprachen, die er beherrscht. Seine Sprachstudienaufenthalte in Ägypten und dem Libanon brachten ihm dabei auch die Situation im Nahen Osten nahe.
Sein geografisches Zuständigkeitsgebiet Jaen im Norden von Peru bezeichnete Bischof Vizcarra als untypisch für die Wahrnehmung Perus im Ausland. Dort seien vor allem die Indigenen der Anden als typische Vertreter Perus geläufig. Sein Vikariat (= bistumsähnliche Gebietskörperschaft für Missionsgebiete) dagegen liegt im Urwald des Amazonas-Einzugsbereichs, der etwa 60 % des Staatsgebiets Perus umfasst. Etwa 55 unterschiedliche indigene Volksgruppen sind dort weit verstreut zuhause. Früher als Nomaden unterwegs, wurden sie von der peruanischen Regierung ab den 70er Jahren gezwungen, sesshaft zu werden.
Die Region verfügt über begehrte Bodenschätze wie Erdöl, Gold und andere Mineralien, aber auch viel Holz und Wasser. Das beispielsweise wollen Konzerne zur Energieerzeugung nutzen, um damit Brasilien zu beliefern. Die relative wirtschaftliche Entwicklung Perus verdankt sich nämlich dem Umstand, dass die Regierung ca. 80 % des Bodens als Konzession zur Nutzung der Bodenschätze an in- und ausländische Konzerne vergeben hat. Auf die traditionelle Bevölkerung wurde und wird keine Rücksicht genommen. Sie werden bestenfalls umgesiedelt, oft aber einfach durch die Zerstörung ihrer Existenzgrundlagen vertrieben.
Obwohl alle diesbezüglichen internationalen Vereinbarungen unterschrieben wurden und alle Gesetzt vorhanden sind, die genau dies verhindern sollen, werden immer wieder aus Kostengründen Sicherheitsvorkehrungen vernachlässigt. So werden marode Pipelines nicht gewartet. Öl fließt in die Flüsse, ins Trinkwasser, und das zum Goldabbau notwendige Quecksilber landet ebenfalls dort. Gelegentlich werden auch die bestehenden Gesetze durch das Gegenteil bewirkende Verordnungen ausgehöhlt, und die Kontrolleure treten immer erst nach Eintritt eines Desasters auf den Plan.
Selbstverständlich schürt das nicht nur den Unmut, sondern auch den Widerstand der Indigenen. So kam es am 5. 6. 2009 im Zuständigkeitsbereich von Bischof Vizcarra (nahe der Stadt Bagua) zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Tausenden die Zufahrten blockierenden Indigenen (Awajun und Wampis) und staatlichen Sicherheitskräften, die mit 35 Toten endete, darunter 23 Polizisten. Dafür wurden 52 Indigene ohne erkennbare Beweismittel angeklagt, aber kein Polizist. Neben anderen Institutionen unterstützte auch die Kirche die Angeklagten, die dann im September dieses Jahres tatsächlich freigesprochen wurden.
Es gibt allerdings auch Allianzen, die das rücksichtslose Vorgehen der Konzessionäre gutheißen. Tatsache ist auch, dass 80 % des oft durch brutale Rodungen gewonnenen Tropenholzes illegal in Abnehmerländer Europas und auch in die USA geliefert werden.
Gegen all diesen ökonomischen Wildwuchs und die ökologische Zerstörung eines für die gesamte Menschheit wichtigen natürlichen Lebensraums setzt die Kirche in erster Linie Bildungsinitiativen. Internate für die oft sehr abgelegen wohnenden Kinder, Schulen und Fachschulen erziehen auch zur Zweisprachigkeit. Die Zusammenarbeit mit lokalen wissenschaftlichen Einrichtungen, wie dem Anthropologischen Institut will bei den Indigenen den Sinn für nachhaltiges Wirtschaften wecken und ihnen die Methoden zum Anbau neuer Produkte, wie beispielsweise Bananen, Kakao und die Fischzucht sowie die Pflege ihrer traditionellen Anbauweisen nahe bringen. Junge Menschen sollen damit vor der Massenflucht in die Städte bewahrt werden, wo sie „westliches Leben“, das sie bei den Mitarbeitern der Konzessionäre gesehen haben, erwarten, aber nie verwirklichen können.
Bischof Vizcarra sieht darin die Umsetzung seiner pastoralen Aufgaben, wie es etliche Jesuiten vor ihm seit 70 Jahren in diesem Vikariat getan haben. Es umfasst 3 Pfarreien. Umherreisende Katecheten und viele Laien sind dort in der Seelsorge tätig. Unterstützend für die Arbeit des Bischofs wirken auch überregionale kirchliche Organisationen wie REPAM, welche die Indigenen in ihrem Kampf gegen die Umweltzerstörung begleiten.
Nach dem Ende seines spannenden Vortrags vermittelte eine kurze Video-Einspielung Impressionen von Bischof Vizcarras Wirkungsort. Die danach gestellten zahlreichen Fragen zu praktisch allen Aspekten seiner Vor-Ort-Arbeit und den Besonderheiten der von ihm betreuten Region beantwortete Bischof Vizcarra umfassend und kenntnisreich. Die so wichtige Übersetzungsarbeit wurde von der Adveniat-Länderreferentin Monika Lauer Pérez souverän geleistet, die auch während des anschließenden Gottesdienstes dolmetschte.
Pfarrer Wolf-Dieter Geißler betonte zu Anfang der zusammen mit Bischof Vizcarra zelebrierten Messe die besondere Ehre des Besuchs eines Bischofs bei einem solch langjährig aktiven Perukreis und verwies auf die gegenseitigen freundschaftlichen und konstruktiven Kontakte der Partnergemeinden.
In seiner Ansprache arbeitete Bischof Vizcarra die Kernpunkte seiner Tätigkeit heraus und verwies vor allem auf die Aufgabe, mit den Indigenen „eine gemeinsame Sichtweise auf Gott zu entwickeln“, ohne Zwang und unter Berücksichtigung der traditionellen Lebensweise der Ureinwohner.
In seiner Begleitung der Indigenen in ihrer Auseinandersetzung mit den ihren Lebensraum bedrohenden Konzessionären und auf ihrem Weg in eine selbstbestimmte Zukunft sieht er sich im Einklang mit der im Mai 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato Si“von Papst Franziskus, die den Kampf gegen die Umweltzerstörung und die rücksichtslose Ausbeutung unseres Planeten zum Gegenstand hat. Dieses Thema hat auch Adveniat, das katholische Lateinamerika-Hilfswerk dieses Jahr aufgegriffen unter dem Motto: „Bedrohte Schöpfung, bedrohte Völker“. Auf dessen Einladung reist Bischof Vizcarra derzeit durch unsere Erzdiözese, wobei er am Sonntag mit Erzbischof Stefan Burger zusammentrifft.